Apothekenvertretung durch Honorarkraft
Liebe Kolleg:innen!
Ich freue mich euch unseren ersten externen Beitrag präsentieren zu dürfen.
„Aus meiner Sicht ist die Vertretung der Apotheker:innen durch Honorarkräfte grundsätzlich zulässig.“ sagt Herr Alexander Brederick in seinem nachfolgenden Artikel, in welchem der Fachanwalt für Arbeitsrecht für euch das PRO und CONTRA vor der aktuellen Rechtslage ausführlich erläutert hat.
Wir von FARMASISTA danken Herrn Brederick von Herzen für diesen wichtigen Beitrag, welchen er freundlicherweise anlässlich des Starts unserer FARMASISTA Vertretungsplattform kostenfrei zur Verfügung gestellt hat.
Vielen Dank und viel Spaß beim Lesen wünscht,
Beatrice Teschner
Die Vertretung von Apotheker:innen durch Honorarkräfte - aktuelle Rechtslage
1. Ausgangslage
Die Vertretung von Apotheker:innen durch Honorarkräfte birgt Risiken berufsrechtlicher aber auch finanzieller Art. Anders als die Berichterstattung über einige aktuelle Urteile suggeriert, sind die Probleme keineswegs aus der Welt. Auch der derzeitige Stand kann nur als vorläufig bezeichnet werden. Zum einen sind die sehr spezifischen gesetzlichen Regelungen des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) und der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApoBetrO) zu beachten. Über deren Einhaltung wachen die Kammern mehr oder weniger streng. Zum anderen besteht die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit der Vertretung, die ein extrem teures Nachspiel haben kann. Nachfolgend werde ich den aktuellen Stand der Diskussion darlegen, die daraus folgenden Risiken skizzieren und Tipps für die Praxis geben.
2. Berufsrechtliche Vorgaben
2.1. Persönliche Leitung der Apotheke
Gemäß § 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) ist der Betrieb einer Apotheke erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis gilt nur für die Apothekerin oder den Apotheker, dem sie erteilt ist und nur für die in der Erlaubnisurkunde bezeichneten Räume. Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApoBetrO) hat die Apothekenleiterin oder der Apothekenleiter die Apotheke persönlich zu leiten. Sie oder er ist dafür verantwortlich, dass die Apotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird.
2.2. Möglichkeit der Vertretung
Gemäß § 2 Abs. 5 ApoBetrO muss sich die Apothekenleiterin oder der Apothekenleiter, sofern er seine Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke vorübergehend nicht selbst wahrnimmt, durch eine:n Apotheker:in vertreten lassen. Die Vertretung darf insgesamt drei Monate im Jahr nicht überschreiten. Liegt in der Person der Apothekenleiterin oder des Apothekenleiters ein wichtiger Grund vor, kann die zuständige Behörde eine längere Vertretung ausdrücklich zulassen. Ein:e Vertreter:in darf im Laufe des Jahres für verschiedene Apotheker:innen tätig werden. Dabei darf bei den einzelnen Apotheker:innen die jeweilige höchstzulässige Vertretungszeit nicht überschritten werden, soweit nicht jeweils eine ausdrückliche Ausnahmegenehmigung für einen längeren Zeitraum erteilt wurde.
2.3. Vertretung auch durch selbstständige Apotheker:innen möglich
Mittlerweile dürfte geklärt sein, dass die gesetzlichen apothekenrechtlichen Bestimmungen eine selbständige Vertretungstätigkeit nicht grundsätzlich ausschließen (so z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.6.2020, AZ.: L 8 BA 6/18 unter Verweis auf die weitere Rechtsprechung). Anderslautende frühere Entscheidungen des Landgerichts Verden vom 8.10.2009 und vom 25.11.2009, (Geschäftszeichen 2 S 154/09), welche sich wiederum ohne nähere Auseinandersetzung auf Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit (BFH, 20.02.1979 – VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414; FG München, 23.07.2002 – 2 K 3177/01; EFG 2002, 1513) beriefen, leiden am Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung. Der Bundesfinanzhof hatte damals eine konkrete Fallkonstellation zu entscheiden, in der sowohl der Apothekeninhaber, als auch der vertretende Apotheker ausdrücklich eine Vertretung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wollten und deshalb einen Arbeitsvertrag schlossen und Lohnsteuer abführten. Insoweit folgerichtig kam der BFH (übrigens anders als Finanzamt und Finanzgericht) zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis (was auch sonst?) vorlag. Dementsprechend waren die daraus gezogenen Schlussfolgerungen, wonach eine Vertretung nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgen könne, unzutreffend. Darauf hatte ich bereits vor 10 Jahren hingewiesen (siehe z.B. → externer Link – Artikel Vertretung von Apotheker:innen lesen).
Auch aus dem Gesetz ergeben sich keine ausdrücklichen Vorgaben einer Zulässigkeit der Vertretung der Apothekerin oder des Apothekers nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Gerade die im Übrigen sehr detaillierten gesetzlichen Vorgaben für die Vertretung, sprechen gegen eine weiter einschränkende Auslegung.
Soweit argumentiert wird, dass die Apothekerin oder der Apotheker die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gewährleisten könne, ist das schwer nachzuvollziehen. Die Apothekenbetriebsordnung sieht die vorübergehende Vertretung für Krankheits- oder Urlaubsfälle vor. Gerade in diesen Situationen ist die Inhaberin oder der Inhaber aber nicht persönlich vor Ort. Regelmäßig wird die Auftraggeberin oder der Auftraggeber für die Zeit der Vertretung hauptsächlich daran interessiert sein, dass das Geschäft während seiner Abwesenheit ohne große Einbußen und Schäden und vor allem ohne Gesetzesverstöße weitergeführt wird. Zu ständigen konkretisierenden Weisungen und entsprechender Kontrolle wird die Inhaberin oder der Inhaber schon aufgrund seiner Abwesenheit nicht in der Lage sein. Daher spricht die gesetzlich ausdrücklich zugelassene Möglichkeit der Vertretung in diesen Fällen sogar eher gegen eine gesetzgeberische Festlegung auf eine ausschließlich arbeitsvertraglich gestaltete Vertretung.
Aus meiner Sicht ist die Vertretung der Apothekerin oder des Apothekers durch Honorarkräfte grundsätzlich zulässig. Natürlich muss die oder der Vertretene die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben durch die Vertretungskraft mindestens durch eine entsprechende Vertragsgestaltung sicherstellen (zu den Problemen in diesem Zusammenhand nachfolgend unter 3.). Wer hier Ärger mit der zuständigen Kammer aus dem Weg gehen will, sollte ggf. vorab nach der aktuellen Bewertung vor Ort fragen.
3. Statusrechtliche Probleme
3.1. Vorsicht vor arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen
Fehler bei der rechtlichen Einordnung, bzw. Durchführung des Vertragsverhältnisses können teuer werden. Gerade die berufsrechtlichen Vorgaben zwingen die Parteien dazu, im Vertrag konkrete Regelungen zu treffen, die die Einhaltung der Vorschriften des Apothekengesetztes und der Apothekenbetriebsordnung gewährleisten. Detaillierte Vorgaben, vor allem die Vereinbarung von Weisungsrechten zur Kontrolle und Überwachung des Vertreters, begründen die Gefahr, dass zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung eine Scheinselbstständigkeit der Vertretungsapothekerin oder des Vertretungsapothekers angenommen wird. Aber auch im Fall von Streitigkeiten zwischen der Apothekerin oder dem Apotheker und der oder dem Vertreter, könnte die oder der Vertreter nachträglich auf die Idee kommen, dass ein Arbeitsverhältnis für ihn günstiger wäre. Sie oder er könnte z.B. versuchen vor dem Arbeitsgericht eine Entfristung des Vertragsverhältnisses zu erreichen. Alternativ könnte sie oder er auch eine Statusprüfung bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen und dadurch eine Überprüfung in Gang bringen.
Fazit: Je effektiver man die Gefahr berufsrechtlicher Probleme bekämpfen will, umso grösser wird das Risiko späterer Schwierigkeiten mit dem Status.
3.2. Gefahr einer abweichenden Beurteilung des Status minimieren
Allein der Umstand, dass die Vertreterin oder der Vertreter im Rahmen des Honorarvertrages verpflichtet wird, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, dürfte keine Rückschlüsse auf den Status zulassen.
Das Bundesarbeitsgericht urteilt in ständiger Rechtsprechung, dass Vorgaben die zur Erfüllung der übernommenen Aufgaben zwingend erforderlich sind, allein nicht den Status einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers begründen, wenn zwischen den Vertragsparteien ein freies Mitarbeiter:innenverhältnis gewollt war (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 20.05.2009 zum AZ: 5 AZR 31/08 -juris-). Auch ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10.6.2020 zum AZ: L 8 BA 6/18 scheint in diese Richtung zu weisen.
Diese Urteile dürfen aber nicht den Blick darauf verstellen, dass hier eine erhebliche Gefahr auch in Zukunft besteht. Letztlich ist immer der Einzelfall entscheidend. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine einheitliche Handhabung durch die Arbeits-, die Sozial-, und die Finanzgerichte gibt. Auch ähnlich gelagerte Fälle, über die bereits entschieden wurde, führen nicht zu einer Bindung der Behörden oder Gerichte an das dort festgestellte Ergebnis.
3.3. Ausgangspunkt Honorarvertrag
Sorgfalt ist bereits bei der Formulierung des Vertretungsvertrages geboten. Berufsrechtlich muss hier die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben (s.o.) sichergestellt werden. Umgekehrt darf dies nicht dazu führen, dass der Vertrag schon als solcher bereits ein Arbeitsverhältnis begründet.
3.4. Entscheidend Durchführung des Vertrages
Entscheidend für die Klassifizierung des Vertragsverhältnisses ist die tatsächliche Durchführung. In der Praxis wird bei der Vertragsformulierung vergleichsweise sorgfältig gearbeitet, um ein Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Im Rahmen der Vertragsdurchführung ergibt sich dann aber doch das Bedürfnis konkreter Weisungen. Gerade das Bestehen von Weisungsrechten ist aber ein wesentliches Kennzeichen eines Arbeitsverhältnisses. Auch wenn im Vertrag keine Weisungsrechte enthalten sind, lässt die tatsächliche Befolgung späterer Weisungen, auf ein entsprechendes Recht schließen. In Zeiten der Kommunikation per E-Mail, SMS und WhatsApp lassen sich derartige Weisungen und ihre Befolgung später auch gut beweisen.
3.5. Weisungen des Vertreters gegenüber Mitarbeitern
Das größte Problem dürfte in der Praxis bestehen, wenn in der Apotheke andere Arbeitnehmer:innen arbeiten. Es wird sich häufig gar nicht vermeiden lassen, dass die Vertreterin oder der Vertreter diesen Weisungen erteilt. Als echte:r Selbständige:r hat sie oder er aber gegenüber den Arbeitnehmer:innen der Apothekerin oder des Apothekers kein Weisungsrecht. Das Weisungsrecht entstünde nur dadurch, dass die Vertreterin oder der Vertreter seinerseits als Arbeitnehmer:in der Apothekerin oder des Apothekers dessen Weisungsrecht ausübt. Es besteht daher die Gefahr, dass aus der gelebten Praxis der Erteilung von Weisungen an die Mitarbeiter:in später auf ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird.
3.6. Statusanfrage bei der Deutschen Rentenversicherung
Im Bereich des Status bestehende Unsicherheiten lassen sich nur vorab nur bedingt klären. Sicherheit bringt hier jeweils nur eine Statusanfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Nähere Informationen zum Verfahren finden Sie hier: → externer Link zur Clearingstelle – Thema Statusabfrage Rentenversicherung.
4. Fazit: weiterhin unsichere Rechtslage
Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich nicht herleiten, dass die Vertretung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgen muss. Absolute Sicherheit bringt derzeit nur eine Anfrage bei der jeweiligen Kammer. Unbedingt bedacht werden sollte die Beurteilung des Vertragsverhältnisses mit der Vertreterin oder dem Vertreter aus arbeitsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Sicht. Diese muss nicht einheitlich ausfallen. Wer ganz ruhig schlafen will, muss die Vertreterin oder den Vertreter anstellen oder eine Statusanfrage durchführen. Sicher ist, dass die Vertragsparteien mit dieser Rechtslage nicht immer glücklich sein werden. Sie ist traurige Folge der derzeitigen allgemeinen Rechtsunsicherheiten im Bereich der Beschäftigung freier Mitarbeiter:innen. Warum der Gesetzgeber bei der ansonsten herrschenden allgemeinen Regulierungswut gerade in diesem wichtigen Bereich untätig bleibt und deutschlandweit hunderttausende Beschäftigungsverhältnisse in zweifelhaftem Status belässt, bleibt weiter unklar.
Bearbeitungsstand 25.10.2021
Autor:
Alexander Bredereck
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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